Aussicht auf Brabant (Holland)

 

TILBURG – Als Bewohner der nördlichen Niederlande (man sagt auch „oberhalb der großen Flüsse“) denke ich bei Brabant immer an den Sänger Guus Meeuwis, der seine Heimat mit dem Ohrwurm „Brabant“ unsterblich machte. Dieses Klischee in meinem Kopf wurde während meines Besuchs in Tilburg/Brabant im Rahmen einer Bloggerreise bestätigt, als uns niemand geringeres als Marc Meeuwis, der seinem Bruder Guus wie ein Ei dem anderen gleicht, begrüßte. Im Arm hielt Marc, der nicht nur Perkussionist in der Band seines Bruders ist, sondern auch Direktor von City Marketing Tilburg, einen Stapel Postkarten mit dazugehörigen Briefmarken.

DIE ZWEI GESICHTER BRABANTS

Unser Ausflug in diese südliche Provinz dauerte zwar nur einen einzigen Tag, doch das reichte aus, um zwei ganz unterschiedliche Welten kennenzulernen. Beide gehören zu Brabant. Der Tag begann so traditionell und gastfreundlich, wie man es von den südlichen Niederlanden erwartet, mit einem Empfang in der Herberge ‚In den Bockenreyder‘ in Esbeek. Sie liegt mitten in den Wäldern, im Dunstkreis von Tilburg. Das Zepter schwingt in dritter Generation der Wirt Ad de Bruyn. Hier wird der Boden noch mit Sand gestreut, „so wie früher“. Und das stimmt, im Restaurant bedeckt Sand den Boden. „So hielt man früher die Stube sauber“, erklärt Ad. „Das stammt noch aus der Zeit, als Seife, Soda und Sand die einzigen Putzmittel waren.“

 

  brabant

LEKTIONEN IN BRABANTER PLATT

Wer in dieser authentischen Herberge einen Kaffee trinkt, einen Happen isst oder diniert, erhält zusätzlich kostenfreien Unterricht in Brabanter Platt, Geschichte und Geografie. Auf den rotbunten Servietten wird ausführlich erzählt – typisch Brabant – wie es sich mit dem Lokal und seiner Geschichte verhält. Nicht nur der Name der Herberge ‚In den Bockenreyder‘ ist etwas Besonderes, sondern auch der des Gebiets, in dem sie sich befindet: Landgut De Utrecht. De Utrecht? Ich dachte, wir wären in Brabant?

 

de utrecht in brabant

UTRECHT IN BRABANT?

Die Antwort auf diese Frage kennt der Förster Frans Kapteijn. Er begleitet uns auf einer Wanderung durch die Umgebung, die er 26 Jahre lang als Förster des Vereins zum Erhalt der Naturdenkmale (Vereniging Natuurmonumenten) durchstreifte. Förster Frans kennt das Areal also wie seine Westentasche. Früher, im 19. Jahrhundert, befand sich hier kein Wald, sondern ausschließlich Heidefläche. Die Reichen jener Zeit kauften sich für ‘n Appel und ‘n Ei große Grundstücke, als Investition. Und einer dieser Reichen war die Versicherungsgesellschaft De Utrecht (heute heißt sie ASR und ist immer noch Besitzer des Waldes). Daher stammt also der Name. Auf den Heideflächen wurden seit damals große Waldparzellen angelegt. Unter anderem wurden Waldkiefern angepflanzt, aus deren Stämmen Stützpfeiler für die Minen in Limburg oder Schiffsmasten gefertigt werden sollten.

‘VERDAMMT SCHÖN‘

brabant holland

 

Heutzutage dürfen die Bäume einfach stehen bleiben. Und das gefällt ihnen offensichtlich, denn sie wachsen zu riesigen Exemplaren heran. Die Spitzen der Waldkiefern thronen hoch über uns. Alle naselang macht uns Förster Frans auf einen besonderen Baum oder eine spezielle Pflanze aufmerksam. Hier eine Orchidee, dort ein Gagelstrauch und überall majestätische Adlerfarne. Nach einer kurzen Wanderung verlassen wir den Wald und stehen plötzlich vor einem Gewässer, das von Heide umsäumt wird. Oder, wie die Serviette im Bockenreyder es nennt: ‘De Floas, ein verdammt schöner Moorsee auf der Heide.‘ Moorseen sind unzertrennlich mit diesem Gebiet verbunden, erzählt Frans. Sie entstanden in der letzten Eiszeit, vor ungefähr 12.000 Jahren.

PFLÜCKEN VERBOTEN

Der Förster verschwindet in einem Strauch und pflückt ein paar Blätter, an denen wir riechen dürfen. Es riecht gut, aber keine Ahnung, was wir da vor uns haben. Frans weiß es natürlich. Es ist Gagel, ein verflixt gefährlicher Strauch, denn bei übermäßigem Genuss besitzt er eine halluzinogene Wirkung, wie eine Art LSD. Da man dies inzwischen weiß, ist das Pflücken verboten. Früher allerdings wusste man nicht um diese Wirkung und nutzte man Gagel beim Bierbrauen (denn es verlängert die Haltbarkeit des Biers), zuhause (denn es verjagt Flöhe, Fliegen und Mücken) und beim Floristen (denn er verschönert so manches Bouquet). Es gibt tatsächlich noch eine Brauerei, die es – legal, nehme ich mal an – benutzt: Brabants Gageltje in Kaatsheuvel.

AUSSICHTSTURM 1 (ÖTKÈÈKTORE AUF BRABANTER PLATT)

turm brabant

 

Nach dem Gagel wandern wir weiter in Richtung eines großen Bauwerks, das weit über die Baumkronen hinausragt. Sind wir doch ein bisschen am Halluzinieren? Zum Glück hilft uns die Serviette weiter: ‘Ein Aussichtsturm für eine gute Aussicht über das Wasser‘. Es ist der Floas-Aussichtsturm, gebaut aus Holz und Stahl. Nachdem man den Eintritt von 1 Euro gezahlt hat – man muss also Geld dabei haben, sonst kommt man nicht hinein – darf man die 130 Stufen hinaufsteigen. In 22 Meter Höhe angekommen erwartet den Besucher das beeindruckende Panorama aus Wald und Heide.

NACH TILBURG

De Utrecht in Brabant

 

Als wir wieder mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, wandern wir noch eine Zeit lang durch den Wald mit seinen hohen Bäumen und immensen Adlerfarnen. Zurück am In den Bockenreyder verabschieden wir uns von Förster Frans und begeben uns in eine andere Welt: in die Stadt Tilburg, nur eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Dort haben wir eine Verabredung mit dem Spoorpark.

AUSSICHTSTURM 2

Spoorpark Tilburg, Brabant tilburg brabant

 

Hier erwartet mich eine Überraschung: Im Spoorpark steht eine Kopie des Floas-Turms, den wir eben noch in den Wäldern von Esbeek gesehen haben. Nur gibt es hier keine Wälder und Moorseen, sondern einen neuen Park, der sich zwischen den alten und neuen Zugschienen (auf Niederländisch ‘spoor‘) befindet. Sobald man durch die Tore tritt, fällt auf, dass dieser Park kein Touri-Ding ist, sondern wirklich von den Einheimischen, den Tilburgern, genutzt wird. Kinder planschen in einem Wasserspiel in Form eines riesigen Reißverschlusses, Familien picknicken im Gras, Freunde spielen eine Partie Basketball, ein paar Kids toben sich bei ‘urban sports‘ aus und Jugendliche chillen auf dem Platz, der Tribüne und auf den Treppenstufen am Teich. Es gibt einen städtischen Campingplatz, ein Café-Restaurant und eben auch einen Aussichtsturm.

 

RELAXEN IM STADTPARK TILBURG – BRABANT

Die entspannte Stimmung hier im Stadtpark umfängt einen sofort. Man will gleich aus den Schuhen schlüpfen und mit nackten Füßen durch den strömenden Bach laufen, sich auf einen der gemütlichen Sitzsäcke entlang des Teichs mit Springfontäne fallen lassen, oder es sich auf der Terrasse des T-Huis gemütlich machen.

 

T-Huis in Tilburg, Brabant

WILKOMMEN IN BRABANT

Natürlich muss man kein Tilburger sein, um den Park zu besuchen. Wir sind in Brabant, jeder ist willkommen. Genau das schreibe ich auf die Tilburg-Postkarte von Marc Meeuwis und klebe die Tilburg-Marke drauf. Jetzt muss ich nur noch einen Briefkasten finden. (Und das ist mir gelungen, auch wenn ich etwas suchen musste.)

 

 

TIPP: Was man in Brabant auch erlebt: Radfahr-Genuss