Touchdown im Wattenmeer

 

HARLINGEN – Es ist eine ganz besondere Erfahrung: Trockenfallen im Wattenmeer. Es ist nur auf einem Plattbodenschiff, einem Boot ohne Kiel, möglich. Sobald die Ebbe einsetzt, muss man einen guten Platz finden. Den Rest erledigt die Natur. Man zieht Schuhe und Socken aus, krempelt die Hose hoch, springt von Bord, und dann erlebt man, wie still es in den Niederlanden sein kann.

 

TROCKENFALLEN IM WATTENMEER

 

Natürlich kann man auch mit einem Kielboot trockenfallen, aber die stundenlange Schieflage macht nicht besonders viel Spaß. Also nein; ein Plattboden, wie eine Tjalk oder ein Skûtsje, ist das am besten geeignete Schiff, um auf dem Meeresgrund zu rasten. Trockenfall-Fahrten kann man in verschiedenen Orten auf den Watteninseln und auf dem Festland buchen. Von Harlingen aus organisiert die Historische Zeilvaart Harlingen („Historische Segelfahrt Harlingen“) solche Touren, unter anderem auf der Larus, einer Tjalk Baujahr 1893. Wir sind einen Tag lang mitgesegelt und trockengefallen.

 

IN DIE FERNE SEGELN

Segeln auf dem Wattenmer mit alte Zweimaster. Foto Sybyle Kroon

 

Wir verlassen den Hafen von Harlingen. Der Himmel ist grau, aber in der Ferne, über den Watteninseln, ist ein blauer Streifen zu sehen, der uns für den späteren Tag gutes Wetter verspricht. Die Segel des Zweimasters werden gehisst und wir kreuzen Richtung Westen, auf das Wattenmeer hinaus. Um uns herum sehen wir Segelboote in allen Formen und Größen, den Fährdienst, kreischende Möwen und einen beeindruckenden Himmel. Der Wind pustet mir den Kopf frei, und ich schmecke das Salz auf meinen Lippen. Alle meine Sinne sind geschärft.

 

TOUCHDOWN IM WATT

 

Nach ein paar Stunden erreichen wir unser Ziel. Offensichtlich weiß der Kapitän mehr als wir, denn wir sehen nur Wasser um uns herum. In der Ferne machen wir Harlingen, Terschelling, Vlieland und die unbewohnten Inseln Griend und Richel aus. Die Segel werden gestrichen, und der Kapitän lotet zusammen mit dem Schiffsjungen die Wassertiefe aus. Diese muss um das ganze Boot herum ungefähr gleich sein, sodass wir nicht in Schieflage geraten. Nach einiger Zeit sieht man den Meeresboden durchscheinen: noch dreißig Zentimeter, noch zwanzig, zehn, und dann heißt es „Touchdown“. Für die nächsten Stunden ist dies unser Liegeplatz. Das Wasser zieht sich noch weiter zurück, und bevor wir uns versehen, liegen wir mitten auf einem riesigen Sandriff.

 

SPAZIERGANG AUF DEM MEERESGRUND

Spaziergang auf dem meeresgrund Wattenmeer. Foto Sybylle Kroon

 

In der Zwischenzeit ist der graue Himmel aufgerissen und macht Platz für die typisch holländischen weißen Wolken. Die Sonne sorgt für eine angenehme Temperatur auf dem Watt. Über eine Treppe klimmen wir hinunter und da stehen wir dann: mit nackten Füßen im nassen Sand. Zusammen mit einem Führer des Wattvereins laufen wir in das Watt hinein, um die reiche Tierwelt zu erkunden. Die Seehunde, die sich in der Ferne sonnen, blicken kurz auf, aber sobald sie merken, dass wir kein Futter sind, dösen sie weiter. Auch die Bootshunde dürfen für ihre Pinkelpause von Bord, natürlich angeleint.

 

WATTENMEER: WELTERBE

Tjalk Larus trocken gefallen auf Meeresgrund Wattenmeer. Foto Sybylle Kroon

 

Die Stille mitten im Watt ist ohrenbetäubend. Man begreift, dass dies zum Welterbe gehört. Der Reichtum an Leben hier ist für Vögel auf Futtersuche lebenswichtig, und die Schönheit dieser verletzlichen Natur ist nicht anders zu umschreiben als mit „weniger ist mehr“. Wir speichern diese Erinnerungen in unserem Gedächtnis ab und schießen ein paar letzte Fotos, bevor wir zurück an Bord gehen. Nicht mehr lange bis zur Flut. Dann wird die Larus von Mutter Natur wieder angehoben und von Windgott Aeolus zurück nach Hause gebracht.

 

Auch im Watt: Inseln Texel, Ameland und Schiermonnikoog.

 

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